Digitalisierung auf der Parkbank

Die Digitalisierung sitzt in Deutschland auf der Parkbank. Herr Günther Oettinger,

Digitalisierung auf der Parkbank
Die Digitalisierung sitzt in Deutschland auf der Parkbank.

Herr Günther Oettinger, der EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, liest Zeitung, die mit der Druckerschwärze. Insofern war sein Einstieg über die Erfindung des Buchdrucks, bei seiner gestrigen Rede vor dem deutschen Mittelstand, zum Thema Digitalisierung nachzuvollziehen. Er wollte den über 3000 Unternehmern beim Jahresempfang des BVMW auch nur die Angst vor der digitalen Revolution nehmen und schob dann auch gleich noch die Dampfmaschine hinterher. Hat doch viel Gutes gebracht, die Maschine auf Rädern. Na, wem sagt er das, in dem Land der Automobilbauer. Aber nun, da Apple ein Auto bauen will, verdunkelte sich seine Mine und er entspann ein Horrorszenario, vom untergehenden deutschen Automobil bis zu einem mit dem Apfellogo tätowierten Kind. Entspannter wurde er erst, als er von seiner 90-jährigen Mutter berichtete, die früher auf der Parkbank saß (wahrscheinlich Zeitung lesend) und nun wöchentlich 150 Euro von der Volksbank abholt, wegen der sozialen Kontakte. Richtig, denn letztlich ist eine 12-spurige Datenautobahn viel zu gefährlich für betagte Leute. In anderen Ländern, zum Beispiel Estland, wäre Herr Oettinger mit seiner Mutter sicher auf Facebook befreundet und bekäme die Höhe seines Erbteils von der Volksbank getwittert.

Wie Digitalisierung wirklich geht, davon  berichtete anschaulich, beispielhaft und ansehnlich, der jüngste Staatschef Europas, Ministerpräsident Estlands, Taavi Rõivas. Er hatte den Vorteil, dass er in puncto Digitalisierung nicht von der Zukunft sondern von der Vergangenheit und der Gegenwart berichten konnte. In Estland hat man mit der digitalen Unterschrift für jeden (unabhängig ob estnischer Einwohner oder nicht) den digitalen Staatsbürger geschaffen. Durch den großen Saal im Berliner Hotel Maritim ging ein Raunen. Beifall und Kopfnicken begleiteten seine Ausführungen zur Einfachheit des Steuersystems, zur Gewerbeanmeldung in 20 Minuten und der Steuererklärung ohne Steuerberater, alles online in weniger als einer halben Stunde. „Das wollen wir auch.“ war zuhören.

Aber nachdem anschließend der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller, MdB,  von Datenschutz, Unabhängigkeit und Geschäftsgeheimnissen sprach, legte sich bei dem ein oder anderen die Euphorie. Es würde schon eine  Menge an Kreativität und Erfindergeist in diesem Land verloren gehen, wenn die Bürger und Unternehmer ihre Steuererklärungen ohne Steuerberater einreichen würden. Mit der Digitalisierung ist es genau wie mit den anderen Dingen im Leben.

„Wer das eine will, muss das andere mögen.“

P.S. Aber eins hat die Veranstaltung auch gezeigt, es ist gut, wenn die von Zukunft sprechen, die sie noch vor sich haben und für den nächsten Jahresempfang wäre es angebracht, einmal eine Frau auf der Bühne zu sehen. Damit wären die Rufe in die Welt nach Gleichberechtigung noch viel überzeugender.

 

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