LegalTech – Chance für Wirtschaftsjuristen

LegalTech Chance für Wirtschaftsjuristen

Legal Tech – eine Chance für Wirtschaftsjuristen

Legal Tech – Bedrohung, Hype oder Chance?

Seit einigen Jahren plagt deutsche Juristen die drängende Frage, ob die Vertreter ihres Berufsstandes durch die Digitalisierung in der Zukunft verzichtbar werden, ob sie um ihre Mandate, ihre Einnahmen und ihre Jobs bangen müssen? Vielleicht ist es nur ein Hype und das ganze Gerede von Chatbots und Blockchain geht an Deutschland vorbei, wenn man es nur lange genug aussitzt? Die Chancen stehen gar nicht so schlecht, denn schließlich haben wir in der Fläche längst nicht überall die technischen Voraussetzungen, um eine digitale Vollzeitverfügbarkeit zu gewährleisten. Mancherorts ist man immer noch froh, wenn zumindest das Fax funktioniert, um die Fristen bei Gericht einzuhalten.  Aber gehen wir einmal davon aus, dass der elektronische Postweg technisch möglich ist und beA funktioniert. Ist das schon Legal Tech? Hightech ist es jedenfalls nicht, was Atos dort geliefert hat, aber es ist wohl mehr als nur ein kurzfristiger Hype. An der digitalen Kommunikation führt kein Weg vorbei, wenn er auch zuweilen mühsam und langsam ist. Aber sollte die Digitalwirtschaft mit der prognostizierten künstlichen Intelligenz wirklich die Zukunft der Anwaltschaft bedrohen? Gegen ein bisschen mehr Intelligenz in dieser Welt wäre nichts einzuwenden, wobei ich mich persönlich lieber mit einem Menschen als mit einem Chatbot unterhalte. Aber sind KI, Chatbot und Blockchain jetzt wirklich die Feinde der Anwaltschaft? Ich vermute, dass das Aussitzen für den Anwalt viel gefährlicher ist, als ein beherzter Sprung auf die Datenautobahn, oder zeitgemäßer gesagt, in die Cloud. Da Anwälte aber berufsbedingt eher zu den Pessimisten zählen und sich die Anwaltschaft historisch gesehen nicht gerade als Zukunftstreiber hervorgetan hat, geistern zahlreiche Schreckensszenarien durch das Anwalt§universum. Aber die Mutigen unter ihnen sitzen auf Zukunftskongressen und Legal Tech Konferenzen, sie hören Vorträge von den Treibern der Legal Technology, wozu zahlreiche Softwareanbieter der Branche aber auch die ersten Startups der Legal Tech Szene zählen. Die Masse der 163.000 zugelassenen Rechtsanwälte wartet aber erst einmal ab. Atos, beA und die BRAK gießen fleißig Wasser auf ihre Mühlen.

Späte Nachfrage nach Wirtschaftsjuristen

Zwischen den treibenden BWLern der Legal-Tech-Startups und den abwartenden Volljuristen sitzt der Wirtschaftsjurist und wundert sich, dass plötzlich, nur 23 Jahre nach Gründung der ersten deutschen wirtschaftsrechtlichen Fakultät in Recklinghausen, sein juristischer Abschluss als Bachelor bzw. Master of Laws gefragt ist. Für die Absolventen grenzt es an ein Wunder, es gibt Stellenangebote sogar bei den renommierten Wirtschaftskanzleien. Dort wo die Mauer der Zulassung zur Anwaltschaft, das Beharren auf vollbefriedigende Examensnoten und das beständige Klopfen auf das Rechtsdienstleistungsgesetz die Türen seit Jahren versperrt hatte, werden nun Wirtschaftsjuristen gesucht. Aber auch in Unternehmen und in der noch jungen Startup Szene gibt es offensichtlich Verwendung für Absolventen des Wirtschaftsrechts.

Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe. Der erste Grund ist den Wirtschaftsjuristen hinlänglich bekannt, sie sind billiger zu bekommen als ein Volljurist. Interessanter ist aber der zweite Grund. Die Digitalisierung macht es möglich und erforderlich, die juristische Arbeit in kleine Segmente zu zerlegen, einzelne Prozesse zu standardisieren, Teile in Projekten abzuwickeln und außerhalb von Kanzleien anzubieten. Der Bereich des Transaction-Support-Lawyer oder Projekt-Juristen wächst und der Begriff Paralegal bekommt eine neue weitreichendere Bedeutung. Dennoch ist ein großer Teil des Kuchens an die Anwaltszulassung gebunden. Wenn auch der Bereich der anwaltlichen Beratung und die Vertretung vor Gericht langfristig ebenfalls von Veränderung gekennzeichnet sein werden, so werden sie doch weiterhin dem anwaltlichen Berufsrecht unterliegen und nach dessen Vorgaben behandelt werden müssen. Auf diesem Feld sollten sich die Rechtsanwälte hervortun, den bereits angestoßenen Anpassungsprozess des Berufsrechts begleiten, ihre Pflichten einhalten, die Rechte des Mandanten bewahren und zeitgemäße Dienstleistung anbieten. Hier braucht man übrigens auch in Zukunft noch die gut ausgebildete, geschulte und geübte Rechtsanwaltsfachangestellte. Im Prozessverfahrensrecht, im Gebühren- und Kostenrecht, in der Zwangsvollstreckung und nicht zuletzt im Fristenwesen ist sie nicht zu ersetzen, nicht einmal durch einen Wirtschaftsjuristen.

Digitalkompetenzen

Der Wirtschaftsjurist kann in Zeiten der Digitalisierung nun endlich mit dem betriebswirtschaftlichen Teil seines Studiums punkten und sich über die jahrelange Schmach eines „halben Juristen“ erheben. Die innovative Verbindung von Technologie und Recht innerhalb und außerhalb von Kanzleien unter Beachtung von betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten erfordert Wissen, aber vor allem Fähigkeiten und Erfahrungen, die der Volljurist nicht im Jurastudium erlernt und sehr selten im Referendariat erfahren hat. Wirtschaftliches Handeln, Prozessoptimierung, Projektsteuerung, Technikaffinität, Programmierkenntnisse, interdisziplinäre Zusammenarbeit, das Denken in Produkten und Kundenorientierung sind bei der Entwicklung und Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben unverzichtbar. Um nicht falsche Hoffnungen zu wecken, längst nicht jeder Absolvent eines wirtschaftsrechtlichen Studiums bringt all diese Fähigkeiten mit. Auch dieses Studium ist nicht ausreichend auf die Anforderungen der Digitalgesellschaft ausgerichtet. Zudem unterscheiden sich die Schwerpunkte der Bachelor- und Masterstudiengänge an den Universitäten und Hoch- und Fachschulen der Länder sehr stark voneinander. Dennoch sind der unternehmerische Fokus, die interdisziplinäre Arbeitsweise und die frühe Einbindung in die Team- und Projektarbeit gute Voraussetzungen für eine Tätigkeit im Legal Tech Bereich. Allerdings müsste der Einsatz der Wirtschaftsjuristen nicht in abgegrenzten Nischen im Support der Anwälte verortet werden, sondern endlich auf eine konstruktive Zusammenarbeit ausgerichtet werden. Die Digitalwirtschaft ist viel zu komplex, als dass sie von einer Berufsspezies allein bewältigt werden könnte, da hilft auch kein Staatsexamen. Statt dafür zu plädieren, den Jurastudenten jetzt auch noch Programmierkenntnisse beizubringen, sollten man sie in interdisziplinärer Zusammenarbeit unterrichten. Ein bisschen mehr Respekt vor anderen Professionen und die frühe Erfahrung, dass man auch von anderen lernen kann, helfen später sicher bei der Kommunikation mit dem Support Lawyer der Kanzlei oder dem IT-Spezialisten der Rechtsabteilung.

Wirtschaftsjuristen in Legal Tech Startups

Obwohl sich der Markt öffnet, ist leider noch nicht zu erkennen, dass die Wirtschaftsjuristen nun ad hoc in die Legal Tech Szene streben und sich das Feld aktiv und freudig erschließen. Eher sind sie von den disruptiven Entwicklungen des Rechtsmarktes gefühlt wieder ausgeschlossen. Aktivitäten der Legal Tech Verbände, der Konferenzen, Tagungen und Touren durch die ersten Innovationszentren richten sich vornehmlich an Wirtschaftsanwälte. Ja, der kleine feine Unterschied zwischen Wirtschaftsjurist und Wirtschaftsanwalt ist immer noch die Zulassung zur Anwaltschaft. Die Teilnahme an den gut ausgestatteten Branchen- und Netzwerktreffen richten sich an die bewährte Zielgruppe der Wirtschaftsanwälte in den Wirtschaftskanzleien und Rechtsabteilungen und an die Studenten der Rechtswissenschaften in den Universitäten. Der Wirtschaftsjurist fühlt sich bis auf einige Ausnahmen, die persönlich den Zugang gefunden haben, zu dieser Klientel nicht zugehörig. Auch die Veröffentlichungen der Branche erreichen ihn kaum. Über 20 Jahre hat man dem Wirtschaftsjuristen zu verstehen gegeben, dass er ohne Zulassung draußen bleiben muss, nun wird er nicht so schnell von selbst anklopfen. Wirtschaftsjurist-Volljurist

Das Wort Legal Tech erzeugt bei den Absolventen meist ein Fragezeichen im Gesicht oder spiegelt die Vermutung, dass die Rechtsanwälte wieder mal jemanden für den Datenraum brauchen. Die Kanzleien haben es nicht leicht, das Vertrauen der Wirtschaftsjuristen zu gewinnen. Die klassischen Unternehmen haben leider immer noch zu wenig Kenntnis von den Einsatzmöglichkeiten der Wirtschaftsjuristen. Besser sieht es in den Legal Tech Startups aus. Hier werden Schnittstellenpositionen besetzt, ideal für Absolventen mit Wirtschaft & Recht. Hier braucht man Mitarbeiter mit juristischem Wissen und unternehmerischem Denken. Die jungen Firmen unterliegen einem ständigen Veränderungsprozess, durchleben Finanzierungsrunden oder überleben sie auch nicht, fusionieren und müssen sich eigentlich täglich neu erfinden. Juristisches Wissen ist hier nicht nur für die Produktentwicklung gefragt, sondern auch für die Abbildung und Prüfung der internen Prozesse und Verträge. Die in den Stellenanzeigen der Startups meist gepriesenen „flachen Hierarchien“ sind allerdings oft der Inbegriff eines noch ziemlich unstrukturierten Miteinanders. Aber Versuch und Irrtum gehören zur Gründungsphase wie auch die Angriffe derer, die befürchten, dass sie verzichtbar werden, dass ihre Einkünfte und vor allem ihr Einfluss schwindet. Man sollte als Legal Tech Gründer auf jeden Fall einen guten Anwalt haben. Und die Anwälte sollten eigentlich begeistert sein, die Digitalisierung spült unendlich viel neuen Beratungsbedarf in ihre Kanzleien. Für die Routineaufträge im Datenschutz und Compliance können sie auch gleich wieder Wirtschaftsjuristen einstellen.

Und so könnten alle ganz in Ruhe und ungestört ihr spezielles Geschäftsfeld bestellen. Bis in der deutschen Rechtsberatungsbranche tatsächlich Anzeichen von Disruption spürbar sind, werden noch Millionen Fluggastverspätungen bearbeitet, tausende Blitzer Strafzettel reguliert und Hartz4 Widersprüche bearbeitet werden. Es werden hunderte Ehepaare den Rosenkrieg bis zur Scheidung führen und kein Kanzleianwalt wird diese Mandate wirklich vermissen.

P.S. Das nächste große Event der Legal Tech Szene findet am 4. und 5. Dezember in Darmstadt statt. LEGAL®EVOLUTION. Ich bin gespannt, wie viele Wirtschaftsjuristen ich auf der Expo 2018 treffe.

Active sourcing xing

ApfelWir wollen nicht spielen, wir wollen nicht kuscheln und haben immer einen Apfel in der Tasche.

Mein Name ist Daniel (31), ich bin Berufseinsteiger. Das heißt, ist stehe an der Schwelle zu einem bezahlten Job. So hatte ich mir das jedenfalls vorgestellt. Mein Bachelor- und Masterstudium habe ich in den letzten 6 Jahren mit einer selbstständigen Tätigkeit finanziert, als gelernter Kaufmann ist mir das auch gut gelungen. Letzte Woche habe ich meine Masterthesis im Fach Wirtschaftsrecht verteidigt. Jetzt bin ich LL.M. – und auf Jobsuche als Wirtschaftsjurist, dass der Studiengang (21 Jahre nach seiner Einführung in Deutschland) noch nicht überall bekannt ist, ahnte ich ja schon. Dass man aber mit Berufsbezeichnungen und Studienabschlüssen auf völlige Ahnungslosigkeit bei Recruitern stößt, die ihrerseits wild mit Jobdescription und Karrierefloskeln jonglieren, hat mich jetzt doch überrascht. Auch die Sache mit dem Obstkorb im Büro verstehe ich nicht.

Mein xing-Profil steht auf: „aktiv auf Jobsuche“.

Und nicht nur das, schließlich war ich als Student selbst drei Jahre im kaufmännischen Bereich einer Personalvermittlung tätig und weiß, wie man Lebensläufe schreibt und Auswahlkriterien einsetzt. Der aufmerksame xing-Profilbesucher kann neben meinen Abschlüssen als Kaufmann, Bachelor und Master of Laws  meine Affinität zu juristischen und wirtschaftlichen Themen erkennen. In meiner  Tag-Cloud stehen unter  „ich biete“ und „ich suche“ Schlagworte wie „Vertragsmanagement“, „Arbeitsrecht“, „Steuerrecht“ „Vergaberecht“„kaufmännische Leitung“, „Fin-Tech“ ,„Legal-Tech“ usw. Eine kurze Zusammenfassung meiner Interessen, meines Wissens und Wollens. Leider gibt es bei xing keine Rubrik: „Das will ich nicht – auf gar keinen Fall.“ Denn dann würde bei mir dort stehen: „Vertrieb“ und „aktive Personalbeschaffung.“

Die ungebetenen Besucher

Aber die ungebetenen xing-Besucher sind wie Verwandtschaft, man kann sie von einem Besuch nicht abhalten. Und sie bringen einem genau das, was man nicht will: Zeitverschwendung und das Gefühl, nicht verstanden zu werden. Im Nachhinein ärgert man sich, dass man sich wieder einmal darauf eingelassen hat. Letzte Woche hatte ich wieder einen Profilbesucher, der sich im Nachhinein als ungebetener Gast entpuppte. Zunächst stellte er sich mit einer Anfrage als Geschäftsführer einer Personalvermittlung vor. Ich erwartete daraufhin einen Menschen, der sich beruflich damit beschäftigt, Jobbeschreibungen zu erstellen, Anforderungsprofile zu entwickeln, Bewerberdaten zu analysieren und Potentiale zu erkennen. Tagesgeschäft eines professionellen Personalvermittlers, dachte ich. Dieser Profi, nennen wir ihn Stefan, begann seine Ansprache mit dem typischen Start-up-Sprech:

„Es ist doch ok, wenn ich dich duze?“

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  • Nein, es ist nicht ok, dass Sie mich duzen.
  • Wer sagt, dass die Atmosphäre in einem Start-up besser ist, als die Bezahlung?
  • Was sind das für Führungskräfte, die keine Ansage machen?
  • Ich trage täglich die Verantwortung für mich und meine Arbeit.
  • Ich will nicht mehr, als eine nützliche Aufgabe mit adäquater Bezahlung.
  • P. S. den Rest meines Lebens organisiere ich gern selbst.

Ich schaue trotzdem auf die Unternehmenswebsite. Stefans Team vermittelt Vertriebsmitarbeiter für alle Branchen. Die Atmosphäre beschreibt man mit Bürohund, Tischtennisplatte, Obst, Sacks und Getränke. Egal, aber wo genau hat Stefan eine Übereinstimmung zwischen seiner Stelle und meiner Qualifikation gefunden? Was macht ein  „Account Manager“? Google meint „[…]wirbt neue Kunden an und pflegt Beziehungen zu Bestandskunden.[…]Ist ein Vertriebsmitarbeiter.“ Aha, vielleicht gibt es da einen Zusammenhang, den ich als Berufseinsteiger noch nicht sehe. Ich antwortete Stefan, dass er mir, sofern er eine Schnittmenge aus seinem Anforderungsprofil und meiner kfm.- und juristischen Qualifikation sieht, gern die Stelle des „Senior Account Managers“ näher vorstellen könne. Montag um 12.00 Uhr will er anrufen.

Wir kaufen dich und du verkaufst die anderen

Mein Telefon klingelt. Eine Frauenstimme: „Entschuldige, Stefan ist im Meeting, aber ich, Svenja, werde dich jetzt befragen. Ja, also wir haben dich ja angeschrieben auf Xing. Erzähl doch mal was du machst.“
„Ich bin Wirtschaftsjurist, habe vor einer Woche meinen Master absolviert. War zuletzt studienbegleitend selbständig und suche jetzt einen Berufseinstieg als Wirtschaftsjurist.“
 „Ok, welchen Jobtitel strebst du an?“
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Frage richtig verstehe, ich bin Wirtschaftsjurist, falls du das mit Titel meinst?“
„Ja ok, als was möchtest du arbeiten?“
„Als Wirtschaftsjurist, da gibt es ja einige Möglichkeiten. Ich habe eine Affinität zum Arbeitsrecht und auch zum Vertragsrecht. Die Frage ist doch, was ihr braucht, oder? Als Jurist bin ich ja nicht auf ein Rechtsgebiet beschränkt. Deshalb wäre es vielleicht sinnvoller, wenn du mir eure Stelle vorstellst. Mein Xing-Profil kennt ihr ja schon.“
„Ja, aber ich hab erst noch weitere Fragen auf dem Fragebogen. Was ist denn deine Wechselmotivation?“
„Meine was?“
„Na, wieso möchtest du von deinem aktuellen Job zu uns wechseln?“
„Ich bin Berufseinsteiger und war neben dem Studium selbständig. Die Selbständigkeit gebe ich aber für einen interessanten Job auf. Das ergibt sich aus meinem Profil und ich habe dir das zu Beginn des Telefonats auch gesagt. Eventuell legst du jetzt deinen Fragebogen weg und wir unterhalten uns über die Stelle?“
„Tut mir leid, das fragen wir immer alle. Ein paar Fragen hab ich noch. Im zweiten Teil sag ich dann was zu uns. – Was möchtest du denn verdienen?“
„Das kommt drauf an, was ich tun soll.“
„Ja aber du musst doch wissen, was du verdienen willst.“
„Das weiß ich – viel!“
„Wie bitte?“
Ich nenne ihr eine absurde Zahl.
„Ok, dann haben wir das. Dann erzähl ich dir mal was über uns. Wir sind 23 Mitarbeiter, wir trinken, essen und feiern zusammen. Wir sind quasi wie eine Familie. Wir haben zwei Bürohunde,  Tischtennisplatten und Kickertische und jeden Tag einen frischen Obstkorb.“
„Ok –  und arbeitet ihr auch?“
Ja, bei uns bekommt jeder seine eigene Branche und Kunden. Du brauchst keine Vertriebserfahrung. Eine Stunde täglich musst du aber neue Kunden anrufen. Danach suchst du in unserer Datenbank oder bei Xing nach Bewerbern. Wir vermitteln unsere Kandidaten innerhalb von 7-10 Tagen. Bei uns läuft alles übers Telefon oder Internet. Persönlichen Kontakt gibt es bei uns nicht, dafür haben wir keine Zeit.“
Ah, ja –  und wie kommt ihr dabei auf mich? Wie kann ich mich dabei als Wirtschaftsjurist einbringen?“
„Ja, wir machen ja alle Branchen. Wenn dir eine Branche nicht gefällt, nimmst du eben eine andere.“
„Svenja, ganz ehrlich, das wird nichts mit uns. Dir alles Gute – und tschüss.“
„Ach, schade, aber wenn du mir noch deinen Lebenslauf zusenden könntest…“


Lieber Stefan, liebe Svenja, liebe Generation-Y-Versteher,

hört bitte mit diesem Bullshit auf und macht euren Job vernünftig. Ihr wollt wissen, wie man die Generation Y anspricht? Gerne über Xing oder LinkedIn, auch per Mail oder Telefon. Wir beherrschen alle Kanäle. Gerne auf Deutsch, gern auch auf Englisch, aber bitte in ganzen Sätzen. Und ganz wichtig: immer mit Respekt und gut vorbereitet. Macht eure Hausaufgaben! Wir erstellen unsere Profile, damit ihr sehen könnt, wo und wie unsere Qualifikationen zu euren Anforderungen passen. Wenn ihr uns anruft, dann verzichtet auf standardisierte Fragebögen und tretet mit uns in einen Dialog – und hört zu! Wenn ihr euch bei uns vorstellt, dann beginnt bitte mit eurer Arbeit und nicht mit den Partys. Wenn ihr uns motivieren wollt, dann gebt uns Jobs und Aufgaben, die unserem Können entsprechen, einen Nutzen haben und im besten Fall auch noch einen Sinn ergeben. Bezahlt uns anständig, dann können wir uns unser Obst, die Snacks und Getränke selbst kaufen. Wir investieren nicht unsere besten Jahre in Ausbildung und Studium, für eine aufgeblasene „Jobdescription“. Wir wollen uns einbringen, wir wollen Verantwortung übernehmen und gute Arbeit leisten. Wir wollen, dass man uns Respekt entgegenbringt, mit uns redet und uns wirklich kennen lernen möchte. Wir sind keine Talents, Experts, keine Human Ressource, sondern Menschen, die einer vernünftigen Arbeit nachgehen wollen. Junge Menschen, die ihr Wissen, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten einsetzen möchten und Sachen voranbringen können. Wir brauchen keine hippen Anglizismen und klangvolle Namen für profane Jobs. Was wir wollen, sind klar definierte Aufgaben und Stellenbeschreibungen, damit wir wissen, was zu tun ist. Wir möchten von Menschen geführt werden, zu denen wir respektvoll aufschauen und von denen wir lernen können. Wir wollen nicht spielen, wir wollen nicht kuscheln und wir haben immer einen Apfel in der Tasche.

Gebt euch Mühe, strengt euch an, hört auf, die Stellenanzeigen eurer Mitbewerber zu kopieren. Nehmt euren Job ernst und liefert selbst ab, was ihr von uns fordert. Gute Qualifikationen, professionelle Arbeitsweise, selbständiges Denken und Respekt. Falls ihr nicht wisst, womit ihr anfangen sollt – fangt mit dem Denken an und lasst den Respekt folgen. Der Rest ergibt sich dann von alleine.

P.S. Guckt mal auf eure xing-Profile, die sind verbesserungswürdig. Sonst würden wir euch ja ansprechen.

 

Her mit deinen Daten – ich garantiere für nichts!

Daniel hat seinen Master of Laws fast in der Tasche, er ist in der Bewerbungsphase. Stolz auf seine Abschlüsse (Kaufmann, LL.B und LL.M) und seine ersten beruflichen Erfahrungen, füllt er sein xing-Profil aus: Vertragsmanagement, Kaufrecht, HR, Arbeitsrecht, Compliance. Bisher sucht er ja mehr, als er zu bieten hat, aber als Berufseinsteiger ist er ungebunden, flexibel und offen für Neues. Zwei Tage später meldet sich Mandy:

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Der Angesprochene schaut auf Mandys xing-Profil: Sie arbeitet bei einem Personaldienstleister in Hamburg, es scheint ihr erster Job zu sein. Ihre Ausbildung: Universität  Hamburg, keine Jahreszahl, keine Fachrichtung, offensichtlich ohne Abschluss. Neben ihrem Foto mit dem etwas fragenden Blick steht: „International Recruiter & Business Development”. Daniel sucht nach der Firma, Mandy ist auf der Homepage nicht zu finden. Aber die Branche klingt spannend: Luftfahrt. Er sucht unter den Job Opportunities nach der Vakanz. Es müsste ja etwas mit Jura sein, wenn das für einen Wirtschaftsjuristen passen sollte. Er findet eine Juristenstelle im Vertragsmanagement: 3 Jahre Berufserfahrung, Vollzeit ab sofort (AÜG), in Hamburg. Daniel sendet seinen CV mit dem Hinweis, dass er in Berlin wohnt. Kurz darauf klingelt sein Handy.

Der Recruiter ruft an

Mandy ist begeistert, dass er alles schon gemacht hat, was die Stelle fordert. Daniel verweist vorsichtshalber darauf, dass seine Erfahrungen, die er studienbegleitend  erworben hat, wohl noch nicht ganz dem Umfang und den Anforderungen ihres Kunden in der Luftfahrtindustrie entsprechen könnten. Er stellt einige konkrete Fragen zu den Aufgaben und dem Verantwortungsbereich der Position, die sie leider nicht beantworten kann. Mandy meint, es steht doch alles in der Stellenbeschreibung, die er übrigens gut recherchiert hat, sie kichert. Dann wieder ernst “Ich brauche jetzt  erst einmal weitere Unterlagen von Ihnen und natürlich Ihren Gehaltswunsch.”

 

Der Einstellungsfragebogen lässt keine Fragen offen. Von der Einwilligung zu Militärprojekten bis zur Schwerbehinderung und der lückenlosen Aufzählung aller bisherigen Arbeitgeber sowie der dort erworbenen Fachkenntnisse wird auf 5 Formularseiten alles abgefragt. Was passiert eigentlich mit den Daten nach dem Auswahlprozess? Daniel fragt nach einer Datenschutzerklärung, Mandy reagiert verschnupft.

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Daniel sendet ihr den Link zu der Datenschutzerklärung auf ihrer Homepage und den ausgefüllten Fragebogen. Sie will noch mehr.

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Daniel fährt zum Vorstellungsgespräch nach Hamburg – auf eigene Kosten

Mandy hat leider keine Zeit, ihn persönlich kennen zu lernen. Aber ihr Kunde, der Leiter Vertragsmanagement, empfängt Daniel freundlich und nimmt sich über eine Stunde Zeit für ein offenes Gespräch auf dem Firmengelände. Nach den ersten Minuten steht fest, dass die ausgeschriebene Stellenanzeige nichts mit der tatsächlichen Vakanz in dem Luftfahrtunternehmen zu tun hat. Der Kunde sucht eine Krankheitsvertretung in Teilzeit, maximal 30 Stunden, mit überwiegend administrativen Aufgaben und nur einem juristischen Schwerpunkt, Prüfung von Handelsvertreterverträgen, maximal für 6 Monate, ohne Option der Verlängerung – Arbeitsbeginn am kommenden Montag. Er fragt Daniel, warum er sich als Berliner denn auf diese Position beworben hat und ob er nicht selbst denkt, dass er als Wirtschaftsjurist überqualifiziert wäre?

Auf der Rückfahrt nach Berlin ruft Mandy an 

„…und wie hat es Ihnen gefallen, machen Sie den Job?“ Daniel fragt sich, ob sie denn schon mit dem Kunden gesprochen hat. Er atmet tief durch, in ihm brodelt es. „Da gibt es keinen Job, den ich annehmen könnte. Ihr Kunde hat mir geschildert, was er eigentlich sucht und vor allem zu welchen Konditionen.“ Mandy etwas aufgebracht: „Wie, hat er jetzt alles widerrufen? Das ist die Schuld des Kunden, mir hat er was ganz anderes erzählt. Wäre es aber trotzdem für Sie interessant?“

Jetzt reagiert auch er energisch: „Noch einmal, selbst wenn ich die Aufgabe annehmen würde, weil mich ehrlich gesagt die Branche und das Unternehmen reizt, auch könnte ich mir Ihren Kunden als Chef gut vorstellen — ich kann nicht in der nächsten Woche an Hamburg anfangen, ich wohne in Berlin. Nur falls Sie es immer noch nicht geschnallt haben, ich kann weder unter der Brücke noch im Auto schlafen, ich brauche zumindest eine Bleibe in Hamburg.“

„Na, ich habe ja ganz viel Connection in Hamburg, da können wir doch was machen, sagen Sie mal eine Zahl.“ Daniel stutz: „Was für eine Zahl?“

„Was Sie verdienen müssen, damit Sie sich hier eine Wohnung mieten können. Aber vorher brauche ich noch die G37 Untersuchung, die haben Sie immer noch nicht gemacht.“ Daniel neigt sich ganz weit nach vorn und umklammert das Lenkrad, als wollte er vor Wut hineinbeißen. Er spricht langsam und ganz leise, wie zu einem kranken Haustier: „Liebe Mandy, die G37 ist eine freiwillige Untersuchung nach der Bildschirmarbeitsplatzverordnung, die der Arbeitgeber dem Mitarbeiter anbieten muss und der Arbeitnehmer in Anspruch nehmen kann. Zur Erinnerung, ich bin Jurist. Ich werde nicht noch 100 Euro dafür bezahlen, damit Sie Ihre Datenbank mit meinen Unterlagen füllen können. Und überhaupt, was sagt eigentlich Ihr Kunde, gab es schon ein Feedback?

„Nein, aber wenn das mit der Stelle nicht klappt, ich habe ja immer wieder mal was für Juristen in Hamburg.“

Am nächsten Tag kam die Absage per Mail.

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Daniel hat das Angebot zur Datenlöschung angenommen. Die Reisekosten trägt er selbst, immer noch besser, als dort arbeiten zu müssen. Er hat sich per Mail direkt beim Kunden bedankt, für die offenen Worte und seine Zeit, ihn auf dem Firmengelände zu empfangen. Nebenbei hat er empfohlen, sich nach einem fähigen Personaldienstleister umzuschauen, denn ansonsten hätte er Angst, in ein Flugzeug zu steigen.

1. Wirtschaftsjuristentag

Wirtschaftsjuristentag Recklinghausen

1. Wirtschaftsjuristentag: Rück- und Ausblicke einer jungen Berufsgruppe. Wenn Absolventen des ersten Jahrgangs eines Fachbereichs Wirtschaftsrecht genau 15 Jahre später neben ihren ehemaligen Profs im Seminarraum sitzen, dann ist dies ein gutes Zeichen und vielleicht der Anfang für ein jährliches Alumnitreffen der Wirtschaftsjuristen an der Westfälischen Hochschule in Recklinghausen. Der aus Anlass des 20-jährigen Bestehens des Fachbereichs Wirtschaftsrecht stattfindende 1. Wirtschaftsjuristentag  war kein gewöhnliches Ehemaligentreffen, es war eine profunde Bestandsaufnahme. Denn als man vor 22 Jahren in Mainz das wirtschaftsjuristische Studium in Deutschland ins Leben rief, war in keiner Weise abzusehen wo, wann und wie die damals noch auf Diplom studierenden Wirtschaftsjuristen einmal „unterkommen“ würden. Aber genau um die Beantwortung dieser Frage ging es dem Dekan des Fachbereichs Wirtschaftsrecht, Professor Bernhard Bergmans, der am 25.09.2015 neben Professoren anderer wirtschaftsjuristischer Ausbildungseinrichtungen vor allem die Absolventen nach Recklinghausen rief. Es kamen natürlich nicht alle der inzwischen 25.000 berufstätigen Absolventen, auch nicht von allen der über 40 Hoch- und Fachschulen, die den Bereich Wirtschaftsrecht in der Zwischenzeit für sich entdeckt haben. Aber es war ein gelungener Anfang.

Akzeptanz und Selbstverständnis als Wirtschaftsjurist

Nach einigen in den letzten Jahren erfolgten Analysen, Befragungen und Statistiken zur Arbeitsmarkt- und Berufsakzeptanz des Wirtschaftsjuristen war es nun an der Zeit, persönliche Erlebnisberichte, Erfahrungen und Best Practice zu sammeln. Denn es ist zwischenzeitlich eher ruhig geworden, um den interdisziplinären Studiengang zwischen Wirtschaft und Recht. Die offenen Angriffe der Volljuristen haben sich gelegt, die Universitäten bilden in der Zwischenzeit selbst Wirtschaftsjuristen aus, die Kultusministerkonferenz fordert die weitere Diversifizierung der juristischen Ausbildung. Auch die Arbeitgeber haben den Wirtschaftsjuristen zumindest schon einmal als kostengünstige Alternative zum Volljuristen erkannt. Was geblieben ist, ist die immer noch verbreitete Unkenntnis über Ausbildungsinhalte und Einsatzmöglichkeiten der Juristen ohne Examensprüfung und Anwaltszulassung. Zugute halten muss man den Unternehmen und Personalern, dass die Zahl und Verschiedenartigkeit, insbesondere der Masterstudiengänge, kaum zu überblicken ist. Hier sind die Hochschulen im Werben um die zukünftigen Studenten wohl in ihrem Wunsch nach Einmaligkeit etwas über das Ziel hinaus geschossen. So ist auch die Anmerkung zu verstehen, dass es eher schwer ist, sich beim Hochschulwechsel Studienergebnisse anerkennen zu lassen. Aber hier kann der Austausch zwischen den als Tagungsreferenten geladenen Professoren aus Wismar, Kassel, Heilbronn und Pforzheim sowie die Wirtschaftsjuristische Hochschulvereinigung sicher Abhilfe schaffen.

Der Wunsch nach Austausch und Vernetzung war von allen Beteiligten klar zu spüren, wenn es auch noch an tragfähigen Strukturen fehlt. In diesem Punkt ist der Studiengang noch ganz am Anfang. Aber Austausch und Selbstverständnis sind unverzichtbar. Der Wirtschaftsjurist ist eben kein klar definierter Beruf, nicht einmal eine geschützte Bezeichnung. Der Wirtschaftsjurist wird erst dann dauerhaft und vor allem seinem Wissen nach adäquat eingesetzt, wenn sein Berufsprofil klar erkennbar ist. Zugegeben, es ist eine Herausforderung und es birgt auch Gefahren, das Profil eines interdisziplinären Studiengangs genau zu schärfen, aber es ist andererseits die einmalige Chance, sich gegenüber dem breit aufgestellten Volljuristen zu positionieren.

Was erwartet die Wirtschaft von unseren Absolventen, welche Ausbildungsinhalte müssen wir aufnehmen, um zukunftsfähig zu bleiben?  

Bei der Komplexität, Divergenz und Internationalität unserer Wirtschaft läuft man Gefahr, sich zu sehr zu verzweigen und auch auf Entwicklungen aufzuspringen, die viel zu kurzlebig sind, als dass das Bildungssystem darauf überhaupt reagieren könnte. Andererseits muss man die Studenten aber auch lenken und ihnen zeigen, in welchen Bereichen sie dringend gebraucht werden. Um zukunftsfähig zu bleiben, ist es heute auch für Hochschulen unabdingbar, sich mit gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen auseinanderzusetzen und vorauszudenken. Dabei geht es aber nicht nur um das Definieren von Arbeitsfeldern, sondern vielmehr darum,  die Kompetenzen der Zukunft zu erkennen und zu vermitteln.

Soft Skills 

Das, was mit dem Wort „Soft Skills“ mehr erschlagen als beschrieben wird, ist der eigentliche Mehrwert des Wirtschaftsjuristen gegenüber dem Volljuristen. Wer für den Staatsdienst ausgebildet wird, ausschließlich am Fall arbeitet, seine Jugend in der Bibliothek und mit Beck online verbringt und selbst seinen Urlaubsbericht (samt Klage wegen Verspätung  des Fliegers und Baulärm in Hotelnähe) im Gutachtenstil verfasst, der hat oft im Unternehmen einige Anpassungsschwierigkeiten. Hier liegt die Chance des Wirtschaftsjuristen. Vorausgesetzt, er hat die im Unternehmen unverzichtbaren Kompetenzen erworben oder weiß zumindest, worauf es ankommt. Dass Unternehmen im Bereich Compliance Wirtschaftsjuristen bevorzugen, ist keine Kostenfrage. Im Compliance geht es um Prozesse, um Steuerung, um Projekte und um Kommunikation auf allen Unternehmensebenen. Hier ist der Wirtschaftsjurist klar im Vorteil, wenn er auf diese Arbeitsweise bereits vorbereitet wurde.

„Wissen. Was praktisch zählt.“

Dies steht auf der Tagungsmappe des 1. WiJu-Tages. Es ist zu wünschen, dass man sich diesem Slogan treu bleibt und sich noch mehr abgrenzt vom klassischen Nur – Juristen. Die Absolventen brauchen diese Abgrenzung, sie brauchen neben dem eigenen Selbstbewusstsein, das Selbstverständnis ihres Berufsstandes. Erst, wenn sie sich nicht mehr rechtfertigen, warum sie nicht Voll – Juristen sind, sondern ganz selbstverständlich davon sprechen, dass sie inhaltlich und praktisch für die Wirtschaft ausgebildet wurden, werden sie die Positionen im Unternehmen bekommen, die sie verdienen – und entsprechend verdienen. Inwieweit das bereits gelungen ist, ist in dem Tagungsband „Zwanzig Jahre Wirtschaftsjuristenausbildung“ detailliert beschrieben. Ein Dank an dieser Stelle dem Herausgeber Prof. Bernhard Bergmans und dem Logos Verlag Berlin. Der Band wird bis zum 2. Wirtschaftsjuristentag willkommener Anreiz sein, die Entwicklung zu beobachten und anzuschieben.

P.S. Wenn das Selbstverständnis der Wirtschaftsjuristen gereift ist, dann wird man auch in der Agentur für Arbeit erkennen, dass Wirtschaftsjuristen keine Rechtsanwalts- oder Notarfachangestellten sind. Außer dem Umstand, dass ihnen für diese Berufstätigkeiten die notwendigen Kammerprüfungen fehlen, sollen die Bachelor-  und Masterabsolventen doch nicht als schnelles Pflaster für die desolate Nachwuchssituation in den juristischen Assistenzberufen dienen. Wenn man langfristig darüber nachdenkt, Anschlussqualifizierungen für den Rechts- Notar- und Insolvenzbereich zu entwickeln, dann sollte man zunächst über die Möglichkeiten einer arbeitsteiligen und respektvollen Zusammenarbeit zwischen Volljuristen und Wirtschaftsjuristen nachdenken. Denn wo ein Mangel ist, gibt es nicht nur einen Weg, sondern auch einen Grund.

Wirtschaftsjuristentag

Wirtschaftsjuristentag
Das Proprium des Wirtschaftsjuristen

Der Wirtschaftsjurist ist ein exemplarisches Beispiel dafür, dass das Leben im Univer§um nicht  schnell oder gar rasant, sondern äußerst langsam und beharrlich verläuft. Vor 20 Jahren, in der Zeitrechnung eines Studenten eine gefühlte Ewigkeit, wurde im Westfälischen der Wirtschaftsjurist geboren. Zwei Jahrzehnte später fragt sich heute noch so mancher Bachelor- oder Masterabsolvent im Auswahlverfahren: Was hat der, was ich nicht habe? Gemeint ist hier natürlich der Volljurist. Bei einem Rechtsanwalt stellt sich die Frage nicht, er hat das Privileg der anwaltlichen Beratung. Aber der Volljurist ist ebenso wenig zugelassen, wie der Wirtschaftsjurist. Aber er könnte, wenn er denn wollte – und überhaupt er ist halt voll ausgebildet.
Noch immer schreibt, diskutiert und debattiert man bei der Stellenbesetzung darüber, in welchem Fall man denn auf einen Wirtschaftsjuristen zurückgreifen könnte und ob man nicht mit einem Volljuristen am Ende besser beraten sei. Sicher aus Kostengründen, das weiß man heute sogar in den Wirtschaftskanzleien. Für den Kostendruck sorgen die Mandanten. Und so finden die Wirtschaftsjuristen nun doch stärkeren Zugang in die Welt der internationalen Wirtschaftsberatungsunternehmen. Gern nimmt man Professional Support Lawyer, Projektjuristen und Vertrags- und Transaction Manager. Der Vielfalt der wohl klingenden Bezeichnungen sind hier kaum Grenzen gesetzt. Der Tätigkeit nach wie vor. Das liegt weniger am Können, als am Zulassen und am Vertrauen. Aber das ist hier wie überall im Universum, die Welt dreht sich schnell, aber wir selbst sind beharrlich in unseren Einstellungen und Vorurteilen. Was kann man tun?

Der Wirtschaftsjurist sollte sich fragen: Was habe ich, was er nicht hat?

Nach zwei Jahrzehnten ist es an der Zeit, die Sache einmal umzudrehen. Sich nicht zu rechtfertigen, dass man auch einen juristischen Studiengang belegt hat und sich nicht als halber Jurist degradieren zu lassen. Der Studiengang wurde für die Belange der Wirtschaft entwickelt. Das juristische Know how sollte in die Unternehmen getragen werden und der juristische Berater sollte wirtschaftliches Verständnis haben. Dass dies immer nach wie vor ein lohnendes Ziel ist, liegt auf der Hand. Es gibt tausende Absolventen, die an den verschiedensten Schnittstellen der Wirtschaft ihren Platz gefunden haben und seit vielen Jahren einen guten Job machen. Sie sollten davon erzählen, von den Hürden, die sie genommen haben, von den Chancen, die sich ihnen boten, von ihren Stärken und auch von den Schwächen der wirtschaftsjuristischen Studiengänge. Sie sollten den Studienanfängern und Absolventen mit ihren Erfahrungen Mut machen und die Sache auch noch etwas anschieben.

Gelegenheit dazu bietet der 1. Wirtschaftsjuristentag am 25.09.2015 in Recklinghausen.

Organisiert vom Fachbereich Wirtschaftsrecht der Westfälischen Hochschule sind zu dem Netzwerktreffen alle Absolventinnen und Absolventen interdisziplinärer wirtschaftsjuristischer Studiengänge aller Hochschul- und Abschlussarten herzlich eingeladen. Neben fachlichem Austausch und einigen Workshops geht es nicht zuletzt um das Proprium des Berufsbildes – man könnte auch sagen um das Selbstverständnis seiner Vertreter und die Wahrnehmung als Berufsgruppe.

„DAS PROPRIUM DER WIRTSCHAFTSJURISTEN. Es geht um die Frage, welche die kennzeichnenden Merkmale von Wirtschaftsjuristen sind, wodurch diese sich von Volljuristen unterscheiden und ob bzw. in welchem Maße sie eine eigene identifizierbare Berufsgruppe darstellen. In die Diskussion sollen neben konzeptionellen Überlegungen vor allem Erfahrungen der berufstätigen Wirtschaftsjuristen aus den unterschiedlichen Berufsfeldern einfließen, um möglichst zu einem gemeinsamen Verständnis des ‚Propriums‘ der Wirtschaftsjuristen zu gelangen.“ Zitat aus dem Programm

 Hier können Sie sich über das weitere Programm informieren und sich anmelden: Vielleicht treffen wir uns in Recklinghausen…

Wirtschaftsjurist oder Wirtschaftsanwalt – wer kennt den Unterschied?

Wirtschaftsjurist oder Wirtschaftsanwalt
„Alles aus einer Hand – Wirtschaftsjuristen sind Allrounder-Allround-Talente. Im Idealfall sind Wirtschaftsanwälte nicht nur exzellente Juristen, sondern auch vertrauensvolle Berater, ernst zu nehmende Gesprächspartner…“ 

Wirtschaftsjurist oder Wirtschaftsanwalt – wer kennt den Unterschied?

Wie hier im Karriereführer Recht 1.2013 werden Wirtschaftsjuristen und Wirtschaftsanwälte gern mal in einen Topf geworfen. Und dann heißt es im Bewerbungsprozedere für den Wirtschaftsjuristen auf einmal: Halt, bis hier und nicht weiter! Die Sache erklärt sich, wenn man den Karrieresatz zu Ende liest: „Wirtschaftsanwälte sind nicht nur exzellente Juristen, sondern auch vertrauensvolle Berater.“ Nicht, dass Wirtschaftsjuristen nicht ebenso exzellent und vertrauenswürdig wären, sie sind einfach keine Berater. Punkt! Da dies kein Mangel, sondern eine Frage der Zulassung ist, ist es nützlich, sich einmal grundlegend damit auseinanderzusetzen und zwar nicht nur sprachlich, sondern in Sinne des anwaltlichen Berufsrechts.

Jeder Anwalt ist Jurist, aber nicht jeder Jurist ist Anwalt. Insbesondere ist der Wirtschaftsjurist kein Wirtschaftsanwalt, denn egal ob er sein juristisches Studium mit Diplom, Bachelor, Master oder auch Magister abgeschlossen hat, er ist kein Volljurist und kann die Zulassung zur anwaltlichen Beratung nicht erlangen. Es sei denn, er legt, so wie der Volljurist, die erste juristische Prüfung ab, begibt sich zwei Jahre in den juristischen Vorbereitungsdienst, um dann das zweite juristische Staatsexamen abzulegen und  damit die Befähigung zum Richteramt zu erlangen. Wenn Sie sich jetzt gerade fragen, was denn das Richteramt hier zu suchen hat, es geht doch um die Wirtschaft, dann kann ich nur sagen: isso. Das ist der juristischen Ausbildung in Deutschland geschuldet. Wirtschaft hin oder her, geprüft wird für den Staatsdienst. Somit ist es auch verständlich, dass der Associate einer Wirtschaftskanzlei zusätzlich einen MBA Abschluss anstrebt und sich dann zuweilen stolz Wirtschaftsjurist nennt. Nun hat er das, was auch der Wirtschaftsjurist vorweisen kann, eine  juristische und eine wirtschaftliche Ausbildung. Aber eigentlich deklassiert er sich mit der Bezeichnung Wirtschaftsjurist, denn er hat ja eine Anwaltszulassung – er ist Rechts- und Wirtschaftsanwalt und hat damit das Privileg der anwaltlichen Beratung. Trotzdem bezeichnet sich der Wirtschaftsanwalt seinen Mandanten gegenüber auch gern als Wirtschaftsjurist, obwohl er  selbst nicht in der Wirtschaft, sondern in einer Wirtschaftskanzlei tätig ist. Wenn er dann einmal die Seite wechselt und sich in einem Unternehmen anstellen lässt, dann ist er nicht mehr Wirtschaftsjurist, dann ist er Syndikus. Und der Wirtschaftsjurist? Der ist innerhalb der Rechtsabteilung kein Syndikus, sondern Justitiar, angestellter Jurist ohne Zulassung. Wenn Sie jetzt schlussfolgern, dass alle Juristen im Unternehmen, bis auf den Syndikus, wohl Wirtschaftsjuristen sind, dann muss ich Sie leider enttäuschen. Die Justiziare sind meist Volljuristen, also die mit den beiden Examen, dem Referendariat und der Befähigung zum Richteramt. Warum? Isso. Das ist zum Teil der (Un-)Kenntnis über die juristische Ausbildung in Deutschland geschuldet.

Einige Argumente von suchenden Unternehmen:

„Wir suchen generell nur Volljuristen.“

„Unsere Mitbewerber in der Branche suchen auch Volljuristen, da haben wir mal die Anzeige kopiert.“

„Wir wollen da schon sicher sein und suchen lieber einen Volljuristen.“

„Wir haben die Stellenanzeige von vor drei Jahren genommen.“

„Wir haben noch nie eine juristische Stelle besetzt, aber der Geschäftsführer wünscht sich einen Volljuristen.“

„Wirtschaftsjuristen, was machen die genau? Der Studiengang ist ja noch ziemlich neu…“

Nun, ganz so neu ist der Wirtschaftsjurist auch nicht mehr. Die Westfälische Hochschule war eine der ersten, die den Studiengang Wirtschaftsrecht ins Leben gerufen hat, sie feiert im Herbst 2015 das 20. Jubiläum und fragt sich, welche Chancen die Absolventen in der Zwischenzeit haben. Wenn Sie sich als Wirtschaftsjurist nun fragen, wie Sie denn einen Fuß in die Tür bekommen ohne die rote Karte der Zulassung zu sehen, dann kann ich Ihnen nur raten, nehmen Sie die Anzeigen, in denen ein Wirtschaftsjurist mit zwei überdurchschnittlichen Examen gesucht wird, nicht zu ernst. Bewerben Sie sich und zeigen Sie, was Sie können. Vielleicht kommt Ihnen ja das aktuelle Hickhack zum Status des Syndikus sogar zugute. Wenn Sie Hilfe brauchen, dann fragen Sie uns nach einem speziellen Bewerbungstraining für Wirtschaftsjuristen und senden Sie uns Ihre Initiativbewerbung.

Allen, die eine juristische Position zu besetzen haben, stehen wir sehr gern beratend und vermittelnd zur Seite. Der Wirtschaftsjurist in Kanzlei und Rechtsabteilung  ⇒ hier weiterlesen