Articles Written By: Marion Proft

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Marion Proft - Ihre Begleiterin durch das Universum der juristischen Berufe.

Offenheit zum neuen Jahr

Einen guten Rutsch – lassen Sie die Sau raus!

Schöne Bescherung

Schluss jetzt mit der ganzen Heimlichtuerei und dem Verstecken der teuren Geschenke. Man sieht ja was das bringt, nur Bescherung. Aber die Bescherung ist vorbei, heute ist Silvester und da kann man mal getrost die Sau raus lassen. Einige haben das ja im Laufe des Jahres schon getan. Compliance und Wirtschaftsstrafrecht sind erkannte Wachstumsmärkte der Wirtschaftskanzleien. So mancher Sauladen wird nun aufgeräumt, sogar inhouse.

Offenheit und Transparenz

Aber nun, kurz vor Beginn des neuen Jahres, ist die offene Gesellschaft angesagt. Transparenz, Offenheit, Kritik und Fehlerkultur. Ach, wenn das Karl R. Popper noch erlebt hätte. Aber nun ist der österreichische Philosoph und Wissenschaftler schon über zehn Jahre tot – und er ist aktueller denn je. Geblieben sind sein Werk zur offenen Gesellschaft, seine Gedanken zum  Risiko des Lebens und zur Herausforderung des  Problemlösens, seine philosophischen Schriften zu Kritik und Fehlerkultur aus der Sicht eines Naturwissenschaftlers. Schön, dass die brand eins sich in ihrer Dezemberausgabe seiner beschriebenen und gelebten(!) Offenheit erinnert.

Gute Vorsätze

Gerade jetzt in der besinnlichen Zeit, jetzt wo man sich nach der Bescherung schon wieder Gedanken zu den guten Vorsätzen für das Neue Jahr machen sollte. Das Problem ist nur, dass die Erfüllung der Vorsätze daran gebunden ist, dass man sich verändert. Man soll (nach eigenem Wunsch) schlanker, beweglicher und gesünder werden. Mehr traut man sich schon gar zu, denn es hat ja schon in den letzten Jahren nicht funktioniert. Was soll man sich nun für 2017 vornehmen? Wie kann man sich verändern, ohne dass es weh tut. Veränderung tut immer weh. Das Verlassen der Komfortzone verursacht nun einmal Schmerzen. Wenn auch die Schmerzen im Kopf nicht so offensichtlich sind, wie die im Rücken beim plötzlichen Verlassen des Sofas nach einem Netflixabend.

Verhaltensänderung

Aber das, was bei einer bewusst in Gang gesetzten Veränderung, in unserem Kopf passiert, verursacht viel länger andauernde und tiefer gehende Schmerzen. Mein Gott, wie sind wir doch eingefahren mit unseren ach so menschlichen Verhaltensweisen. Ihren Körper schleppen Sie vielleicht noch ins Fitnessstudio, aber wann trainieren Sie Ihr Verhalten? Dass Sie zu dick sind, sehen Sie im Spiegel oder auf der Waage. Dass Sie sich unangepasst oder gar unmöglich verhalten, das merken Sie nur, wenn Sie ein Mitmensch darauf hinweist. Wenn Sie keinen Mitmenschen mehr haben, der dies tut, dann haben Sie schon viel zu lange unreflektiert vor sich hin gelebt, oder zu oft die Sau raus gelassen.

Kritik und Selbstkritik

Also, das trifft Sie jetzt natürlich nicht persönlich. Suchen Sie sich einfach jemanden, den Sie kennen und projizieren das ganz einfach auf ihn. Ich bin mir sicher, dass Ihnen jemand  einfällt. Haben Sie denjenigen eigentlich mal darauf hingewiesen? Auf was? Na, dass er sich „ungünstig“ verhalten hat. Nein? Dann wäre das doch ein guter Vorsatz für das Neue Jahr. Werden Sie offener, üben Sie offen Kritik, weisen Sie Ihre Mitmenschen auf Fehler hin. Sie wollen sich aber nicht unbeliebt machen? Dann fangen Sie bei sich selbst an.

Hier noch ein paar dienliche Hinweise von Karl R. Popper, österreichischer Philosoph und Wissenschaftstheoretiker (1902 – 1994)

„Die Prinzipien, die jeder rationalen Diskussion zugrunde liegen, das heißt jeder Diskussion im Dienste der Wahrheitssuche, sind recht eigentlich ethische Prinzipien. Ich möchte drei solcher Prinzipien angeben.

1.Das Prinzip der Fehlbarkeit

Vielleicht habe ich Unrecht, und vielleicht hast du Unrecht. Aber wir können auch beide Unrecht haben.

2. Das Prinzip der vernünftigen Diskussion

Wir wollen versuchen, möglichst unpersönlich unsere Gründe für oder wider eine bestimmte, kritisierbare Theorie abzuwägen.

3. Das Prinzip der Annäherung an die Wahrheit

Durch eine sachliche Diskussion kommen wir fast immer der Wahrheit näher; und wir kommen zu einem besseren Verständnis; auch dann, wenn wir nicht zu einer Einigung kommen.“

Quelle: Alle Menschen sind Philosophen/ Karl R. Popper; hrsg. von Heidi Bohnert und Klaus Stadler. - München; Zürich: Piper, 2004. - S. 202

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein ehrliches, erfahrungsreiches und erfolgreiches Neues Jahr. Sollten Sie Unterstützung bei der Umsetzung Ihrer guten Vorsätze benötigen, bin ich gern für Sie da.

Ihre Marion Proft

Essen und Zechen

Essen und Zechen

Im Moment können Sie weder an Essen noch an Zechen denken? Der Gänsebraten und das Käsefondue liegen Ihnen noch samt Plätzchen und Glühwein im Magen?

Sehen Sie die Sache nüchtern und markieren Sie den 24. – 26. Mai 2017 in Ihrem Kalender. In Essen findet zu dieser Zeit der 68. Deutsche Anwaltstag statt und wartet mit einem Zukunftsthema auf.

„Innovationen und Legal Tech“  

Der Veranstaltungsort der historischen Zeche „Zollverein“  wird eindrucksvoll dazu beitragen, sich von der Industriekultur zu verabschieden und den ein oder anderen Teilnehmer des DAT daran erinnern, dass man früher Arbeit noch sehen und Arbeitsgeräte noch anfassen konnte. Heute gelten Sie schon als Old school, wenn Sie einen Füllfederhalter zur Hand nehmen. Was es für die Anwaltschaft bedeutet, wenn die Arbeit zukünftig in der Cloud stattfindet und sich Legal Tech Unternehmen um die Mandantschaft kümmern, wird sicher in Essen auf den Tisch kommen.

Das Veranstaltungs- und Weiterbildungsprogramm wird im Februar 2017 vom Deutschen Anwaltsverein veröffentlicht. Dann werden wir sicher auch erfahren, ob es denn zukünftig auch Innovationen gegen den Personalmangel im Assistenzbereich geben wird, oder ob die Anwälte und Notare die Suppe selbst auslöffeln müssen, die sie sich seit Jahren eingebrockt haben.

Allen juristischen Assistenzkräften sei an diese Stellen gesagt, dass sie vorläufig keine Angst vor Stellenabbau im Assistenzbereich haben müssen, ganz im Gegenteil. Jede Innovation für die Anwälte hat den ReNoPat-Fachkräften bisher mehr Arbeit gebracht. Oder wer hat sich in Ihrer Kanzlei um die Einführung von beA oder die ISO-Zertifizierung gekümmert?

 

Weihnachten 4.0

Weihnachten 4.0

Besinnlichkeit

Mal ganz ehrlich, waren Sie zu Weihnachten besinnlich? Und da ist es auch schon, das dumpfe Gefühl der Veränderung. Früher hat man sich bei mir im Prenzlauer Berg zu Weihnachten besucht, nun bekommt man hier an Weihnachten Besuch. Und das seit Kurzem mit dem Schwabenexpress. Kostengünstig verbindet die neue Linie der Locomore GmbH die Berliner Zugezogenen mit den Geschenkebringern aus dem Ländle. Wer kurz vor der Bescherung schnell noch im Frankfurter Büro vorbei schauen möchte, kann dort kurz aussteigen, der Zug verkehrt täglich. Das wird dann zwar nicht besinnlich, aber Weihnachten ist eh nur ein verlängertes Wochenende. Irgendwie hat man ja bei den gezahlten Einstiegsgehältern auch immer ein schlechtes Gewissen, das man zuwenig dafür tut und das sollte einen nicht zu/an Weihnachten plagen. Aber meist kommt es ja, Gott sei Dank, gar nicht zu der Besinnlichkeit.

und ich habe nichts an

Besinnlich – nachdenklich, beschaulich, versonnen, gedankenvoll, tiefsinnig, versunken, in sich gekehrt, geruhsamer Besinnung dienend – mein Gott, allein die Worte machen ja schon nervös. Da soll man wahrscheinlich ganz allein ruhig dasitzen, womöglich noch bei Dunkelheit, im Licht einer einzelnen Kerze. Und man hat nichts an. Also keinen Computer, kein TV, Radio oder irgendein mobiles Endgerät. Es ist Stille, vorausgesetzt die Nachbarn akzeptieren die Hausordnung, die man hier im Prenzl´ berg erst einmal eingeführt hat und wenn es sein muss auch durchsetzt. Mietrecht ist so ein Steckenpferd. Ach, Steckenpferd, das alte Holzspielzeug hat früher der Weihnachtsmann den lieben Kleinen gebracht. Im Kiez bekommt man das heute auch wieder, aus besten Naturmaterialien mit Ökosiegel. Der erste Schritt zum eigenen Pferd ist eben ein hobby horse.

Rückbesinnung

Besinnlichkeit hat ja etwas mit Rückbesinnung zu tun. Wenn man schon still in sich hineindenkt, dann kann man ja auch mal nachschauen, was man im Leben, und besonders in dem zu Ende gehenden Jahr, so alles getan oder eben nicht getan hat. Abgesehen von den guten Vorsätzen, die gar keine Chance haben, in unser Langzeitgedächtnis einzudringen. Können Sie sich noch an Ihr Tun in diesem Jahr erinnern? Was haben Sie angepackt? Was haben Sie erreicht? Was ist Ihnen gut gelungen und was nicht? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht und was haben Sie daraus gelernt? Welche Reaktionen haben Sie von Ihren Mitmenschen erhalten? Mag man Sie eigentlich? Mögen Sie sich selbst? Gibt es irgendeinen Grund für Sie, sich zu verändern? Nein, ich meine nicht, was Sie alles verändern wollen würden, wenn Sie nur könnten. Ich frage Sie: Wie wollen Sie sich selbst verändern? Wie wollen Sie sich anpassen, an all das, was sich um Sie herum längst verändert hat? Wie wollen Sie dem Wandel begegnen? Welchem Wandel? Na, dem mit der 4.0 hintendran. Industrie 4.0 und Digitalisierung  4.0 und nun auch noch Arbeit 4.0,  es fehlt nur noch Weihnachten 4.0.

Weihnachten 4.0

Weihnachten 4.0 gibt es schon längst, es hat nur noch keiner ausgesprochen. Die kabellose Weihnachtbaumbeleuchtung ist zeitprogrammiert, die Geschenke werden online bestellt, zum Download bereit gestellt oder sind in der Cloude verfügbar. Weihnachtsgrüße werden per WhatsApp verschickt oder auf Facebook geteilt. Die nörgelnden Kinder bekommen vorinstallierte Spiele auf einem Gerät ihrer Wahl. Märchen und Kinderlieder gibt es von Spotify, für die Großen von Netflix.

Was geblieben ist, das ist das Essen. Nur viel fetter, süßer und üppiger. Weihnachten zwischen 4 Gängen und natürlich etwas zum Anstoßen. Auf Weihnachten, all unsere Lieben und auf das gute Essen. Während die  Familienfeier in vollem Gange ist läuft das regionale Fernsehprogramm im Hintergrund. Oma und Opa freuen sich, Weihnachten so wie´s früher war. Aber früher war mehr Schnee – und mehr Lametta.

Zum Glück naht nun Silvester. Da muss man nicht besinnlich sein, da kann man es wieder richtig krachen lassen. Das mit den guten Vorsätzen für das Neue Jahr erledigen wir beim Anstoßen.

Prosit Neujahr!

P.S. Viel zu schnell wird aus dem Glücksschwein ein Schweinehund.  Wenn Sie sich im neuen Jahr verändern möchten, ich begleite Sie: persolog® Selbstführungsprofil

Festanstellung

Festanstellung

Wie jedes Jahr habe ich auch jetzt zwischen Weihnachten und Neujahr eine Festanstellung. Ich brauche mich darum noch nicht einmal bewerben, kein Assessment bestehen und keine Probearbeit leisten. Ich habe einfach die besten Voraussetzungen:

  1. Ich bin eine Frau.*
  2. Ich kann kochen.
  3. Ich kann backen.
  4. Ich bin ein Organisations- und Improvisationstalent.
  5. Ich kann auf langjährige Erfahrungen zurückgreifen.
  6. Ich bin stressresistent, belastbar und kann unter Termindruck Höchstleistungen vollbringen.
  7. Ich wirke ausgleichend, bei Bedarf auch deeskalierend und ich bin nicht nachtragend.
  8. Wenn die Gläser gefüllt, die Teller gefüllt und der Tisch gedeckt und die Geschenke verpackt sind, wenn Familie und Freunde am Tisch sitzen, dann bin ich zufrieden und geschafft.

Meine Festanstellung ist zwar zeitlich befristet, enthält kein geregeltes Entgelt, aber das ist auch gut so. Nach dem Fest bin ich gern wieder ohne Festanstellung selbstständig.

Frohes Fest!

*Ich kenne das AGG, das gilt hier nicht!

 

Bewerbung – ein Überraschungsei

Bewerbung – ein Überraschungsei. Für Kinder unter drei Jahren nicht geeignet. Für alle anderen auch oft eine Überraschung, allerdings mit wenig Spaß.

Zuerst ist man neugierig, was denn hinter der Stellenanzeige steckt, dann muss man sich auf irgendwelche Spielchen einlassen, später erlebt man garantiert eine Überraschung und zum Schluss schlägt einen die ganze Sache auch noch auf den Magen, weil man einfach zu viel davon hat.

„Jetzt ist die Bewerbung für diesen Globalplayer endlich raus. Das war die komplizierteste und umständlichste Bewerbersoftware, die ich je benutzen musste. Wahrscheinlich ist das der erste Auswahltest. Wer das nicht ausfüllen kann, ist raus. Seit 2 Stunden versuchte ich, ein neues Passwort zu bekommen und nichts wurde mir vom System zugeschickt. Nach einer halben Stunde kamen dann 3 Passwörter.  Außerdem stürzte die Bewerbungsmaske mehrmals ab und mein Geburtsdatum änderte sich ständig auf 2014! Dann wäre ich noch nicht einmal zwei Jahre alt. Schließlich musste ich jede berufliche Station noch einmal per Hand eingeben und entsprechende Kommentare und Referenzen hinterlassen. Nach mehr als 2 Stunden mühevoller Arbeit ist die Bewerbung endlich fertig und ich überlege, ob ich dort überhaupt noch arbeiten möchte. Aber wahrscheinlich fällt die Bewerbung ohnehin durch ein Auswahlraster, weil man Kleinkinder im Alter von zwei Jahren noch nicht einstellt. Ach, dabei fällt mir ein, wir haben ja akuten Nachwuchsmangel.“

Active sourcing xing

ApfelWir wollen nicht spielen, wir wollen nicht kuscheln und haben immer einen Apfel in der Tasche.

Mein Name ist Daniel (31), ich bin Berufseinsteiger. Das heißt, ist stehe an der Schwelle zu einem bezahlten Job. So hatte ich mir das jedenfalls vorgestellt. Mein Bachelor- und Masterstudium habe ich in den letzten 6 Jahren mit einer selbstständigen Tätigkeit finanziert, als gelernter Kaufmann ist mir das auch gut gelungen. Letzte Woche habe ich meine Masterthesis im Fach Wirtschaftsrecht verteidigt. Jetzt bin ich LL.M. – und auf Jobsuche als Wirtschaftsjurist, dass der Studiengang (21 Jahre nach seiner Einführung in Deutschland) noch nicht überall bekannt ist, ahnte ich ja schon. Dass man aber mit Berufsbezeichnungen und Studienabschlüssen auf völlige Ahnungslosigkeit bei Recruitern stößt, die ihrerseits wild mit Jobdescription und Karrierefloskeln jonglieren, hat mich jetzt doch überrascht. Auch die Sache mit dem Obstkorb im Büro verstehe ich nicht.

Mein xing-Profil steht auf: „aktiv auf Jobsuche“.

Und nicht nur das, schließlich war ich als Student selbst drei Jahre im kaufmännischen Bereich einer Personalvermittlung tätig und weiß, wie man Lebensläufe schreibt und Auswahlkriterien einsetzt. Der aufmerksame xing-Profilbesucher kann neben meinen Abschlüssen als Kaufmann, Bachelor und Master of Laws  meine Affinität zu juristischen und wirtschaftlichen Themen erkennen. In meiner  Tag-Cloud stehen unter  „ich biete“ und „ich suche“ Schlagworte wie „Vertragsmanagement“, „Arbeitsrecht“, „Steuerrecht“ „Vergaberecht“„kaufmännische Leitung“, „Fin-Tech“ ,„Legal-Tech“ usw. Eine kurze Zusammenfassung meiner Interessen, meines Wissens und Wollens. Leider gibt es bei xing keine Rubrik: „Das will ich nicht – auf gar keinen Fall.“ Denn dann würde bei mir dort stehen: „Vertrieb“ und „aktive Personalbeschaffung.“

Die ungebetenen Besucher

Aber die ungebetenen xing-Besucher sind wie Verwandtschaft, man kann sie von einem Besuch nicht abhalten. Und sie bringen einem genau das, was man nicht will: Zeitverschwendung und das Gefühl, nicht verstanden zu werden. Im Nachhinein ärgert man sich, dass man sich wieder einmal darauf eingelassen hat. Letzte Woche hatte ich wieder einen Profilbesucher, der sich im Nachhinein als ungebetener Gast entpuppte. Zunächst stellte er sich mit einer Anfrage als Geschäftsführer einer Personalvermittlung vor. Ich erwartete daraufhin einen Menschen, der sich beruflich damit beschäftigt, Jobbeschreibungen zu erstellen, Anforderungsprofile zu entwickeln, Bewerberdaten zu analysieren und Potentiale zu erkennen. Tagesgeschäft eines professionellen Personalvermittlers, dachte ich. Dieser Profi, nennen wir ihn Stefan, begann seine Ansprache mit dem typischen Start-up-Sprech:

„Es ist doch ok, wenn ich dich duze?“

anmache

  • Nein, es ist nicht ok, dass Sie mich duzen.
  • Wer sagt, dass die Atmosphäre in einem Start-up besser ist, als die Bezahlung?
  • Was sind das für Führungskräfte, die keine Ansage machen?
  • Ich trage täglich die Verantwortung für mich und meine Arbeit.
  • Ich will nicht mehr, als eine nützliche Aufgabe mit adäquater Bezahlung.
  • P. S. den Rest meines Lebens organisiere ich gern selbst.

Ich schaue trotzdem auf die Unternehmenswebsite. Stefans Team vermittelt Vertriebsmitarbeiter für alle Branchen. Die Atmosphäre beschreibt man mit Bürohund, Tischtennisplatte, Obst, Sacks und Getränke. Egal, aber wo genau hat Stefan eine Übereinstimmung zwischen seiner Stelle und meiner Qualifikation gefunden? Was macht ein  „Account Manager“? Google meint „[…]wirbt neue Kunden an und pflegt Beziehungen zu Bestandskunden.[…]Ist ein Vertriebsmitarbeiter.“ Aha, vielleicht gibt es da einen Zusammenhang, den ich als Berufseinsteiger noch nicht sehe. Ich antwortete Stefan, dass er mir, sofern er eine Schnittmenge aus seinem Anforderungsprofil und meiner kfm.- und juristischen Qualifikation sieht, gern die Stelle des „Senior Account Managers“ näher vorstellen könne. Montag um 12.00 Uhr will er anrufen.

Wir kaufen dich und du verkaufst die anderen

Mein Telefon klingelt. Eine Frauenstimme: „Entschuldige, Stefan ist im Meeting, aber ich, Svenja, werde dich jetzt befragen. Ja, also wir haben dich ja angeschrieben auf Xing. Erzähl doch mal was du machst.“
„Ich bin Wirtschaftsjurist, habe vor einer Woche meinen Master absolviert. War zuletzt studienbegleitend selbständig und suche jetzt einen Berufseinstieg als Wirtschaftsjurist.“
 „Ok, welchen Jobtitel strebst du an?“
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Frage richtig verstehe, ich bin Wirtschaftsjurist, falls du das mit Titel meinst?“
„Ja ok, als was möchtest du arbeiten?“
„Als Wirtschaftsjurist, da gibt es ja einige Möglichkeiten. Ich habe eine Affinität zum Arbeitsrecht und auch zum Vertragsrecht. Die Frage ist doch, was ihr braucht, oder? Als Jurist bin ich ja nicht auf ein Rechtsgebiet beschränkt. Deshalb wäre es vielleicht sinnvoller, wenn du mir eure Stelle vorstellst. Mein Xing-Profil kennt ihr ja schon.“
„Ja, aber ich hab erst noch weitere Fragen auf dem Fragebogen. Was ist denn deine Wechselmotivation?“
„Meine was?“
„Na, wieso möchtest du von deinem aktuellen Job zu uns wechseln?“
„Ich bin Berufseinsteiger und war neben dem Studium selbständig. Die Selbständigkeit gebe ich aber für einen interessanten Job auf. Das ergibt sich aus meinem Profil und ich habe dir das zu Beginn des Telefonats auch gesagt. Eventuell legst du jetzt deinen Fragebogen weg und wir unterhalten uns über die Stelle?“
„Tut mir leid, das fragen wir immer alle. Ein paar Fragen hab ich noch. Im zweiten Teil sag ich dann was zu uns. – Was möchtest du denn verdienen?“
„Das kommt drauf an, was ich tun soll.“
„Ja aber du musst doch wissen, was du verdienen willst.“
„Das weiß ich – viel!“
„Wie bitte?“
Ich nenne ihr eine absurde Zahl.
„Ok, dann haben wir das. Dann erzähl ich dir mal was über uns. Wir sind 23 Mitarbeiter, wir trinken, essen und feiern zusammen. Wir sind quasi wie eine Familie. Wir haben zwei Bürohunde,  Tischtennisplatten und Kickertische und jeden Tag einen frischen Obstkorb.“
„Ok –  und arbeitet ihr auch?“
Ja, bei uns bekommt jeder seine eigene Branche und Kunden. Du brauchst keine Vertriebserfahrung. Eine Stunde täglich musst du aber neue Kunden anrufen. Danach suchst du in unserer Datenbank oder bei Xing nach Bewerbern. Wir vermitteln unsere Kandidaten innerhalb von 7-10 Tagen. Bei uns läuft alles übers Telefon oder Internet. Persönlichen Kontakt gibt es bei uns nicht, dafür haben wir keine Zeit.“
Ah, ja –  und wie kommt ihr dabei auf mich? Wie kann ich mich dabei als Wirtschaftsjurist einbringen?“
„Ja, wir machen ja alle Branchen. Wenn dir eine Branche nicht gefällt, nimmst du eben eine andere.“
„Svenja, ganz ehrlich, das wird nichts mit uns. Dir alles Gute – und tschüss.“
„Ach, schade, aber wenn du mir noch deinen Lebenslauf zusenden könntest…“


Lieber Stefan, liebe Svenja, liebe Generation-Y-Versteher,

hört bitte mit diesem Bullshit auf und macht euren Job vernünftig. Ihr wollt wissen, wie man die Generation Y anspricht? Gerne über Xing oder LinkedIn, auch per Mail oder Telefon. Wir beherrschen alle Kanäle. Gerne auf Deutsch, gern auch auf Englisch, aber bitte in ganzen Sätzen. Und ganz wichtig: immer mit Respekt und gut vorbereitet. Macht eure Hausaufgaben! Wir erstellen unsere Profile, damit ihr sehen könnt, wo und wie unsere Qualifikationen zu euren Anforderungen passen. Wenn ihr uns anruft, dann verzichtet auf standardisierte Fragebögen und tretet mit uns in einen Dialog – und hört zu! Wenn ihr euch bei uns vorstellt, dann beginnt bitte mit eurer Arbeit und nicht mit den Partys. Wenn ihr uns motivieren wollt, dann gebt uns Jobs und Aufgaben, die unserem Können entsprechen, einen Nutzen haben und im besten Fall auch noch einen Sinn ergeben. Bezahlt uns anständig, dann können wir uns unser Obst, die Snacks und Getränke selbst kaufen. Wir investieren nicht unsere besten Jahre in Ausbildung und Studium, für eine aufgeblasene „Jobdescription“. Wir wollen uns einbringen, wir wollen Verantwortung übernehmen und gute Arbeit leisten. Wir wollen, dass man uns Respekt entgegenbringt, mit uns redet und uns wirklich kennen lernen möchte. Wir sind keine Talents, Experts, keine Human Ressource, sondern Menschen, die einer vernünftigen Arbeit nachgehen wollen. Junge Menschen, die ihr Wissen, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten einsetzen möchten und Sachen voranbringen können. Wir brauchen keine hippen Anglizismen und klangvolle Namen für profane Jobs. Was wir wollen, sind klar definierte Aufgaben und Stellenbeschreibungen, damit wir wissen, was zu tun ist. Wir möchten von Menschen geführt werden, zu denen wir respektvoll aufschauen und von denen wir lernen können. Wir wollen nicht spielen, wir wollen nicht kuscheln und wir haben immer einen Apfel in der Tasche.

Gebt euch Mühe, strengt euch an, hört auf, die Stellenanzeigen eurer Mitbewerber zu kopieren. Nehmt euren Job ernst und liefert selbst ab, was ihr von uns fordert. Gute Qualifikationen, professionelle Arbeitsweise, selbständiges Denken und Respekt. Falls ihr nicht wisst, womit ihr anfangen sollt – fangt mit dem Denken an und lasst den Respekt folgen. Der Rest ergibt sich dann von alleine.

P.S. Guckt mal auf eure xing-Profile, die sind verbesserungswürdig. Sonst würden wir euch ja ansprechen.

 

Her mit deinen Daten – ich garantiere für nichts!

Daniel hat seinen Master of Laws fast in der Tasche, er ist in der Bewerbungsphase. Stolz auf seine Abschlüsse (Kaufmann, LL.B und LL.M) und seine ersten beruflichen Erfahrungen, füllt er sein xing-Profil aus: Vertragsmanagement, Kaufrecht, HR, Arbeitsrecht, Compliance. Bisher sucht er ja mehr, als er zu bieten hat, aber als Berufseinsteiger ist er ungebunden, flexibel und offen für Neues. Zwei Tage später meldet sich Mandy:

xing

Der Angesprochene schaut auf Mandys xing-Profil: Sie arbeitet bei einem Personaldienstleister in Hamburg, es scheint ihr erster Job zu sein. Ihre Ausbildung: Universität  Hamburg, keine Jahreszahl, keine Fachrichtung, offensichtlich ohne Abschluss. Neben ihrem Foto mit dem etwas fragenden Blick steht: „International Recruiter & Business Development”. Daniel sucht nach der Firma, Mandy ist auf der Homepage nicht zu finden. Aber die Branche klingt spannend: Luftfahrt. Er sucht unter den Job Opportunities nach der Vakanz. Es müsste ja etwas mit Jura sein, wenn das für einen Wirtschaftsjuristen passen sollte. Er findet eine Juristenstelle im Vertragsmanagement: 3 Jahre Berufserfahrung, Vollzeit ab sofort (AÜG), in Hamburg. Daniel sendet seinen CV mit dem Hinweis, dass er in Berlin wohnt. Kurz darauf klingelt sein Handy.

Der Recruiter ruft an

Mandy ist begeistert, dass er alles schon gemacht hat, was die Stelle fordert. Daniel verweist vorsichtshalber darauf, dass seine Erfahrungen, die er studienbegleitend  erworben hat, wohl noch nicht ganz dem Umfang und den Anforderungen ihres Kunden in der Luftfahrtindustrie entsprechen könnten. Er stellt einige konkrete Fragen zu den Aufgaben und dem Verantwortungsbereich der Position, die sie leider nicht beantworten kann. Mandy meint, es steht doch alles in der Stellenbeschreibung, die er übrigens gut recherchiert hat, sie kichert. Dann wieder ernst “Ich brauche jetzt  erst einmal weitere Unterlagen von Ihnen und natürlich Ihren Gehaltswunsch.”

 

Der Einstellungsfragebogen lässt keine Fragen offen. Von der Einwilligung zu Militärprojekten bis zur Schwerbehinderung und der lückenlosen Aufzählung aller bisherigen Arbeitgeber sowie der dort erworbenen Fachkenntnisse wird auf 5 Formularseiten alles abgefragt. Was passiert eigentlich mit den Daten nach dem Auswahlprozess? Daniel fragt nach einer Datenschutzerklärung, Mandy reagiert verschnupft.

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Daniel sendet ihr den Link zu der Datenschutzerklärung auf ihrer Homepage und den ausgefüllten Fragebogen. Sie will noch mehr.

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Daniel fährt zum Vorstellungsgespräch nach Hamburg – auf eigene Kosten

Mandy hat leider keine Zeit, ihn persönlich kennen zu lernen. Aber ihr Kunde, der Leiter Vertragsmanagement, empfängt Daniel freundlich und nimmt sich über eine Stunde Zeit für ein offenes Gespräch auf dem Firmengelände. Nach den ersten Minuten steht fest, dass die ausgeschriebene Stellenanzeige nichts mit der tatsächlichen Vakanz in dem Luftfahrtunternehmen zu tun hat. Der Kunde sucht eine Krankheitsvertretung in Teilzeit, maximal 30 Stunden, mit überwiegend administrativen Aufgaben und nur einem juristischen Schwerpunkt, Prüfung von Handelsvertreterverträgen, maximal für 6 Monate, ohne Option der Verlängerung – Arbeitsbeginn am kommenden Montag. Er fragt Daniel, warum er sich als Berliner denn auf diese Position beworben hat und ob er nicht selbst denkt, dass er als Wirtschaftsjurist überqualifiziert wäre?

Auf der Rückfahrt nach Berlin ruft Mandy an 

„…und wie hat es Ihnen gefallen, machen Sie den Job?“ Daniel fragt sich, ob sie denn schon mit dem Kunden gesprochen hat. Er atmet tief durch, in ihm brodelt es. „Da gibt es keinen Job, den ich annehmen könnte. Ihr Kunde hat mir geschildert, was er eigentlich sucht und vor allem zu welchen Konditionen.“ Mandy etwas aufgebracht: „Wie, hat er jetzt alles widerrufen? Das ist die Schuld des Kunden, mir hat er was ganz anderes erzählt. Wäre es aber trotzdem für Sie interessant?“

Jetzt reagiert auch er energisch: „Noch einmal, selbst wenn ich die Aufgabe annehmen würde, weil mich ehrlich gesagt die Branche und das Unternehmen reizt, auch könnte ich mir Ihren Kunden als Chef gut vorstellen — ich kann nicht in der nächsten Woche an Hamburg anfangen, ich wohne in Berlin. Nur falls Sie es immer noch nicht geschnallt haben, ich kann weder unter der Brücke noch im Auto schlafen, ich brauche zumindest eine Bleibe in Hamburg.“

„Na, ich habe ja ganz viel Connection in Hamburg, da können wir doch was machen, sagen Sie mal eine Zahl.“ Daniel stutz: „Was für eine Zahl?“

„Was Sie verdienen müssen, damit Sie sich hier eine Wohnung mieten können. Aber vorher brauche ich noch die G37 Untersuchung, die haben Sie immer noch nicht gemacht.“ Daniel neigt sich ganz weit nach vorn und umklammert das Lenkrad, als wollte er vor Wut hineinbeißen. Er spricht langsam und ganz leise, wie zu einem kranken Haustier: „Liebe Mandy, die G37 ist eine freiwillige Untersuchung nach der Bildschirmarbeitsplatzverordnung, die der Arbeitgeber dem Mitarbeiter anbieten muss und der Arbeitnehmer in Anspruch nehmen kann. Zur Erinnerung, ich bin Jurist. Ich werde nicht noch 100 Euro dafür bezahlen, damit Sie Ihre Datenbank mit meinen Unterlagen füllen können. Und überhaupt, was sagt eigentlich Ihr Kunde, gab es schon ein Feedback?

„Nein, aber wenn das mit der Stelle nicht klappt, ich habe ja immer wieder mal was für Juristen in Hamburg.“

Am nächsten Tag kam die Absage per Mail.

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Daniel hat das Angebot zur Datenlöschung angenommen. Die Reisekosten trägt er selbst, immer noch besser, als dort arbeiten zu müssen. Er hat sich per Mail direkt beim Kunden bedankt, für die offenen Worte und seine Zeit, ihn auf dem Firmengelände zu empfangen. Nebenbei hat er empfohlen, sich nach einem fähigen Personaldienstleister umzuschauen, denn ansonsten hätte er Angst, in ein Flugzeug zu steigen.